"Unser Projekt ist nicht gefährdet"
01 Mär
"Unser Projekt ist nicht gefährdet"
Partenkirchens Sportlicher Leiter, Hannes Bräu, spricht im Interview über die vergangenen Monate, die Situation in Partenkirchen und die Zukunft des ambitionierten Männerprojekts.
Mitgliederschwund, fehlender Spielbetrieb, fehlende Nachwuchswerbung - die Corona-Pandemie stellt alle Handballvereine- und –abteilungen in Bayern vor besondere Herausforderungen. Wie hat der TSV Partenkirchen auf diese Krise bisher reagiert?
Für unsere Abteilung war die Situation in den vergangenen Monaten besonders prekär. Den Sommer über hatten wir, sobald es Lockerungen gab, gegenüber vielen anderen Vereinen in der Region das Glück mit einer eigenen Halle sehr schnell mit eigenen Hygienekonzepten zu reagieren und den Aktiven früh und langfristig mit Einschränkungen Trainingsmöglichkeiten anzubieten, während gerade die Halle des Landratsamtes und der Kommunen noch über Wochen und Monate geschlossen waren. Auf der anderen Seite hat uns dann der Lockdown und damit die Einstellung des kompletten Trainings- und Spielbetriebs hart getroffen.
Warum?
Es gab Ansätze, unsere Aktiven online bei Laune zu halten. Aber zum einen halten wir es auch innerhalb unseres Trainerteams für unangemessen, die Kinder und Jugendlichen, die durch den Distanzunterricht einen Großteil des Tages vor dem Bildschirm verbringen, dann noch ein- oder zweimal für ein Online-Konferenz einzubestellen. Unser Sport lebt von der Gemeinschaft, vom Teamgefühl und vor allem von der gemeinsamen Bewegung. Das kann kein Online-Training auch nur annähernd bieten. Hinzu kommt: Wir in Garmisch-Partenkirchen leben in einer für Outdoor-Sport prädestinierten Gegend. Viele unserer Aktiven sind sportlich sehr vielseitig unterwegs, unternehmen im Winter Skitouren, gehen Langlaufen oder Schlittschuhfahren und Eishockey-Spielen. Mit anderen Worten: Sie sind wirklich aktiv an der frischen Luft, vielleicht noch mit einem Partner, einer Partnerin. Auch wenn es deplatziert wirkt: Wir haben unsere Aktiven auch aufgefordert, andere Sportarten auszuprobieren, an der frischen Luft Sport zu treiben und das schöne Wetter auszunutzen.
Ist dann nicht die Gefahr groß, dass viele Aktive der Abteilung den Rücken kehren und den Bezug zum Handball verlieren?
Die Gefahr ist in der Tat groß, wobei mich unser erstes Online-Meeting mit den Trainern und Gespräche mit Eltern gerade aus dem Kinderhandball auch vorsichtig optimistisch stimmen. Im A- und B-Jugendbereich haben wir fast ausschließlich nur positive Rückmeldungen. Alle sind kommende Saison wieder dabei. Bei den Kindern macht sich der Bewegungsmangel, die Langeweile bemerkbar. Unsere Hoffnung ist, dass gerade die Kleinsten noch mehr Lust haben auf Handball und Bewegung haben, auch wenn gerade hier die Gefahr groß ist, dass uns ein ganzer Talentjahrgang verloren geht. Viele der ganz jungen SpielerInnen hatten 3-4 Monate Handballtraining hinter sich. Nach Ostern, wenn wir vielleicht wieder starten können, fangen wir bei vielen wieder bei Null an.
Gab es Bemühungen, gerade die Kleinsten in der Pause weiter für Handball zu begeistern?
Fast 100 Kinder trainieren bei uns wöchentlich von den Bambinis bis zu den E-Jugendlichen. In diesem Altersbereich haben viele Kinder keinen freien Zugang zu digitalen Endgeräten oder auch eigenen Smartphones, um regelmäßig an Videokonferenzen teilzunehmen. Hier läuft die Kommunikation sehr stark über die Eltern. Trotz der Schwierigkeiten haben wir es versucht: Vor Weihnachten gab es für alle Kinder eine „Handball-Challenge“, die unsere Trainerinnen Karo Kramer und Katrin Zisch ausgedacht haben. Die Kinder sollten bestimmte sportliche Herausforderungen im Wettbewerb mit ihren Eltern begegnen, ihre Ergebnisse protokollieren und dann an die Trainer senden. Für die Besten gab es Preise, für alle ein Geschenk. Am Ende haben nur 15 SpielerInnen mit ihren Eltern trotz massiver Werbung teilgenommen. Das war ernüchternd und hat auch Aufwand und Sinn solcher Aktionen unsererseits in Frage gestellt. Der Bayerische Handball-Verband hat sich auch mit Aktionen bemüht, vor allem die Kinderteams bei Laune zu halten. Es kann sich keiner über mangelnde Angebote beschweren. Am Ende müssen wir alle wieder auf Präsenztraining und aufflammende Motivation hoffen.
Wie will man die den Sommer über weiter für den Handballsport begeistern?
Regelmäßiges und professionelles Training, viel Spaß an der Bewegung und auch Wettbewerb. Die Saison 2020/21 wurde zwar schon abgebrochen, aber ich hoffe so darauf, dass die Bezirke, falls es die Inzidenz-Zahlen zulassen, einen Spielbetrieb bis zur D-Jugend, wenn nötig, bis in die Sommerferien hinein durchführen. Basis sollte die Idee der Einzelspiele sein, die man noch im letzten Herbst verfolgt hat. Das beste Training nützt nichts, wenn die Kinder nicht mit Wettbewerb motiviert werden.
Hat die Abteilung während des Lockdowns zukunftsträchtige Entscheidungen oder Investitionen machen können?
Auch wenn unser Vereinsleben praktisch zum Stillstand gekommen ist: Wir konnten weiter am Ausbau unserer Halleninfrastruktur am OEZ arbeiten. Unter Regie von unserem Trainer Georg Friedrich konnten die zwei Umkleidekabinen fertiggestellt werden. Außerdem haben wir ab sofort eigene sanitäre Anlagen. Als Nächstes soll der Versammlungs- und Besprechungsraum auch zu einem hybriden Kraftraum umgebaut werden, der vor allem angeschlagenen oder verletzten SpielerInnen präventives oder regeneratives Krafttraining während des Mannschaftstrainings erlaubt.
Am 3. März beraten die Ministerpräsidenten wieder über eine Öffnungsstrategie für den Breiten- und Amateursport. Was kann man erwarten?
Wenn ich ehrlich bin: Wir Handballer erwarten nicht mehr viel. Die aktuelle Saison wurde abgebrochen. Es vergehen noch Monate, bis wir gerade in den weniger ambitionierten Ligen überhaupt mit einer Saisonvorbereitung starten können. Für den Sommer können wir wohl alle Kinder- und Jugendturniere absagen. Und dann wird wohl eine Lockerung vorerst Sport nur mit Abstand und wohl mit einer begrenzten Anzahl an Sportlern möglich sein. Für einen Teamsport wie Handball, der vom Kontakt, von der Begegnung lebt und zwischen Januar und April seinem Saisonhöhepunkt entgegensieht, fehlt aktuell auch vielen die Vorstellung und Fantasie, wie man da über Monate seine Aktiven bei Laune halten soll.
Der Sommer 2020 stand auch voll im Zeichen des Zusammenschlusses der Männerteams zwischen Partenkirchen und Murnau. Ist das ambitionierte Projekt durch die Pandemie gefährdet?
Nein, definitiv nicht. Vielleicht war es sogar von Vorteil, dieses Projekt ausgerechnet im Sommer vor der Pandemie ins Rollen zu bringen. Unser Cheftrainer Maximilian Dück hat schon früh signalisiert, dass sein Engagement sicherlich nicht von einem Lockdown abhängt. Auch Torwarttrainer Ralf Schnabel ist hochmotiviert und wird weiterhin mit vier bis fünf talentierten Torleuten arbeiten können. Abgänge und Veränderungen wird es trotzdem geben.
Wer ist 2021/22 nicht mehr dabei?
Robin Heizmann beendet seine Ausbildung an der Schnitzschule in Garmisch-Partenkirchen und kehrt in seine Heimat zurück. Das ist auch deshalb so schade, weil er heuer wirklich Gas geben wollte. Als Spielmacher ist er eine Bombe. Torgefährlich, spielintelligent und im Training immer bei 100 Prozent. Sein Abgang stand aber schon vor dem Saisonabbruch fest. Ganz bitter ist sicherlich das Karriereende von Michael Ott. Michi konnte nicht ein Pflichtspiel absolvieren. Die Gefahr, dass er durch eine erneute Verletzung an Arm und Schulter lebenslange Schäden davonträg, ist einfach zu groß. Bitter ist sein Abgang auch deshalb, weil Michi nicht nur sportlich sondern auch menschlich zu unserer Abteilung passt. Als hätten wir ihn selbst ausgebildet. Bei anderen Spielern steht noch ein dickes Fragezeichen. Jan Goebel will im Laufe des Frühjahrs entscheiden, ob er in der Region bleibt. Auch er ist eine große Stütze für die Reservemannschaft. Bei Mihaly Toth gab es einen beruflichen Wechsel und wir wissen weiterhin nicht, ob es seine Gesundheit zulässt, dass er nochmal aufs Parkett zurückkehrt.
Kann der TSV Partenkirchen kommende Saison dann überhaupt noch zwei Männerteams stellen?
Die Anzahl der Spieler, die zur Verfügung stehen, ist immer noch ausreichend, um zwei schlagkräftige Teams aufzustellen. Auch wenn die Murnauer Seite mittlerweile dezimierter ist und der Großteil der Spieler Partenkirchner Wurzeln hat, ist es nach wie vor ein Kooperationsprojekt. Die Ziele, die wir anstreben, lassen sich nur gemeinsam anpeilen. Mit Benedikt Dauster kehrt ein hoffnungsvolles Murnauer Talent nach überstandener Operation wieder in den Kader zurück und verstärkt den Rückraum. Auch bei den A-Jugendlichen Leo Fischer, Patrick Würzbaur und Max Felzmann hoffen wir, dass der ein oder andere bei den Männern wieder motiviert wird zu spielen. Mit Tobias Huch haben wir auf Rückraum-Mitte letztes Jahr schon einen Youngster erfolgreich integriert. Gerade für die erste Mannschaft schauen wir uns aber die nächsten Monate noch nach Verstärkungen von außen um. Einen jungen Spielgestalter auf Rückraum-Mitte und auch einen ambitionierten weiteren Linkshänder für den gesetzten Valentin Müller auf der Rückraum-Rechts-Position können wir uns kurzfristig einfach nicht selber ausbilden. Da müssen wir uns umsehen.
Ändert sich durch den monatelangen Lockdown die Zielsetzung für das Männerprojekt?
Auch hier sagen wir ganz klar: Die erste Mannschaft peilt den Aufstieg in die Bezirksoberliga an. Das wollten wir in dieser Saison schon erreichen, aber Corona hat das praktisch verhindert. Wir wissen aber auch, dass das kein Selbstläufer wird. Die Bezirksliga ist stärker als ihr Ruf. Ich halte die BOL eher für überschätzt. Da tummeln sich mittlerweile auch viele Teams, die mit Ach und Krach die letzten zwei Jahre überstanden haben oder eben sehr glücklich auch aufgrund des Saisonabbruchs 2019/20 aufgestiegen sind. Ganz anders verhält sich die Zielsetzung für die zweite Mannschaft. Es ist nach wie vor sehr schwierig, von der Bezirksklasse in die Bezirksliga aufzusteigen. Du musst eine perfekte Saison abliefern und Platz eins holen, um dann auch sicher eine Liga höher planen zu können. Motivation und Regelmäßigkeit müssen da auch bei den Spielern der Reserve sehr hoch sein. Dass aber auch hier das Potenzial für mehr da ist, hat man in den ersten drei Spielen der vorzeitig beendeten Spielzeit 2020/21 gesehen.