Raus aus dem Fußball-Schatten
15 Jan
Raus aus dem Fußball-Schatten
Maximilian Dück und Hannes Bräu, die Trainer des TSV Murnau und TSV Partenkirchen hoffen durch die WM auf einen Boom wie 2007.
Landkreis – Hannes Bräu erinnert sich noch gut. 19 Jahre alt war er, als die deutschen Handballer 2007 von Sieg zu Sieg und letztlich zum Weltmeistertitel im eigenen Land eilten. Ganz Sport-Deutschland war euphorisiert vom so genannten Wintermärchen. Die Handball-Szene, sonst meist im Schatten des übermächtigen Fußballs, stand plötzlich im Fokus. Viele Kinder meldeten sich in Vereinen an, eiferten ihren neuen Helden nach. „Eine richtig geile Zeit", sagt Bräu, der mittlerweile die Handballer des TSV Partenkirchen trainiert. Zwölf Jahre später beginnt heute die nächste Heim-WM – und Bräu hofft auf einen ähnlichen Effekt wie damals. Zwölf Mannschaften zählte die Handball-Abteilung des TSV Partenkirchen in der Zeit nach dem Turnier 2007. Heute sind es nur noch fünf. Langfristig angehalten hat der einstige Boom also nicht. „Das müssen wir dieses Mal besser lösen", sagt Bräu. Damit die Vereine sich voll und ganz der WM widmen können, hat der Verband sogar die Winterpause bei den Amateuren zwei Wochen nach hinten verschoben. „Zwingend notwendig wäre das jetzt nicht gewesen", räumt Bräu zwar ein, „aber so hat wenigstens jeder die Möglichkeit, sich alle Spiele anzuschauen."
Vor allem auch wieder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Bei den Turnieren zuletzt liefen die Spiele der Nationalmannschaft nur noch auf Live-Streams im Internet. „Eine Frechheit", sagt Maximilian Dück, Trainer des TSV Murnau. Er ist froh, dass sich ARD und ZDF für die Heim-WM die Übertragungsrechte gesichert haben. „Das gibt unserem Sport die nötige Aufmerksamkeit." Ein erfolgreiches Abschneiden der Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop ist für ihn essenziell, um die Jugendarbeit beim TSV vorantreiben zu können. „Nur wenn sich die Menschen mit dem Team identifizieren, kannst du Kinder dafür begeistern, sich im Handball-Verein anzumelden", betont Dück. „Ansonsten ist der Fußball einfach omnipräsent."
Doch die Murnauer wollen sich nicht nur auf eine gelungene WM mitsamt folgendem Handball-Boom verlassen. Sie veranstalten in ihrer Vereinsgaststätte an der Poschinger-Allee zu jedem Deutschland-Spiel ein Public Viewing. Dück hofft, so auch Menschen für den Sport gewinnen zu können, die sich alleine nicht vor den Fernseher setzen würden. „Gemeinsam zu schauen, macht einfach Spaß", sagt er. „Und wenn jemand eine Frage wegen Regeln oder etwas anderem hat, klären wir gerne auf."
Public Viewing gibt es in Partenkirchen wohl erst ab einem möglichen Halbfinale. „Davor ist zumindest noch nix geplant", sagt Bräu. Stattdessen fährt der Verein am kommenden Sonntag gemeinsam zu einem Vorrundenspieltag nach München. Mit 91 Leuten und zwei großen Bussen geht es zur Olympiahalle. Auch wenn die deutsche Nationalmannschaft nicht in der Landeshauptstadt antritt, freut sich Bräu auf den Ausflug. „Die Möglichkeit, professionellen Spitzenhandball live im Stadion zu sehen, gibt es bei uns in der Region ja nicht oft." Dück ist bereits morgen in der Olympiahalle – ein Geburtstagsgeschenk. Ein Mannschaftsausflug mit seinen Murnauer Schützlingen scheiterte an den „teilweise sehr hohen Ticketpreisen".
Bräu und Dück, beide Lehrer, wollen nach dem Turnier auch an Schulen für ihre Sportart werben. Damit der Handball diesmal womöglich länger als nur für ein paar Wochen aus dem Schatten des Fußballs tritt.
Simon Nutzinger (GAP-Tagblatt vom 10.1.2019)